Zeitzeugen

Teil 2, Sachsenhausen (Oranienburg), 16. - 20. März 2014

Karol Gdanietz, Reda bei Gdańsk / Polen
wurde am 6. Dezember 1924 in der kaschubischen Stadt Tczew geboren und wohnte später mit seinen Eltern in Rumia, einer etwa 30 Kilometer nordwestlich von Danzig liegenden Stadt. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte er zwei Klassen eines Gymnasiums in Wejherowo absolviert.
Am 4. Juni 1940 wurde der fünfzehnjährige Gymnasiast zusammen mit seinen Freunden von der Gestapo verhaftet, weil ein Gestapo-Spitzel sie als Staatsfeinde denunziert hatte. Am gleichen Tag wurde Karol Gdanietz ins KZ Stutthof bei Danzig gebracht, wo er in den Wäldern entlang der Weichsel schwere Zwangsarbeit leisten musste. Am 13. Februar 1941 wurde er ins KZ Sachsenhausen verlegt. Auch hier musste der Jugendliche schwer arbeiten. Der ewige Hunger quälte ihn. Bald wog er nur noch 48 Kilogramm. Er musste verschiedene Arbeiten verrichten, u.a. arbeitete er als Maurer und später auch als Tischler in einem Werk in der Nähe des Lagers, das Ausrüstung für die deutschen Truppen fertigte.
Am 21. April 1945 begann die Evakuierung des Konzentrationslagers. Karol Gdanietz wurde auf einen „Todesmarsch“ in Richtung Mecklenburg getrieben. Am 4. Mai 1945 wurde er bei Crivitz von russischen Truppen befreit. Am 16. Mai kehrte er zur seiner Familie nach Rumia zurück.
Nach dem Krieg studierte Karol Gdanietz Forstwirtschaft in Posen und war später in der Forstverwaltung an der Küste tätig. 1948 hat er eine Familie gegründet und zog drei Kinder groß. Heute ist er stolzer Großvater von neun Enkelkindern und elf Urenkeln.
Herr Gdanietz spricht Polnisch und Deutsch.

(c) Jens Twiehaus
Jan Bocian, Bydgoszcz / Polen
wurde am 10. November 1924 in Prądocin in der Nähe von Bydgoszcz geboren. Er hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Seine Eltern besaßen einen kleinen Bauernhof.
1939, nach dem Überfall auf Polen, wurde die Familie von den Deutschen von ihrem Hof vertrieben. Jan und die Eltern mussten bei deutschen Bauern in den Nachbardörfern Zwangsarbeit leisten. Die beiden Brüder wurden zur Zwangsarbeit ins Reichsinnere und in das besetzte Frankreich verschleppt. Nur die zwei jüngeren Schwestern wurden als Kinder verschont. Eines Tages im Januar 1943 wurde Jan von der Polizei abgeholt und ins Gefängnis nach Hohensalza (poln. Inowrocław) gebracht. Jemand hatte ihn bei der Polizei angezeigt - warum, weiß er selbst nicht genau.
Im März 1943 wurde Jan Bocian ins KZ Groß-Rosen gebracht, wo er im Steinbruch arbeiten musste. Einen Monat später wurde er ins KZ Sachsenhausen transportiert, von wo er nach einem Tag in das Außenlager auf dem Gelände der Heinkel-Werke, einem bedeutendem Rüstungsbetrieb in Oranienburg, gebracht wurde. Dort arbeitete er bis Februar 1945 beim Bau von Flugzeugen. Die letzten Wochen seiner Haftzeit verbrachte er im Hauptlager des KZ Sachsenhausen. Ende April 1945 wurde Jan Bocian zusammen mit anderen Häftlingen auf einen „Todesmarsch“ nach Nordwesten getrieben. Wenige Tage später wurde er bei Schwerin von britischen Soldaten befreit. Der Zwanzigjährige war so geschwächt, dass er von den Alliierten zur Genesung und Erholung nach Schweden gebracht wurde.
Im Januar 1946 kehrte Jan Bocian zu seinen Eltern nach Polen zurück. Bald danach fand er Arbeit bei der Eisenbahn. Er gründete eine Familie und zog drei Kinder groß, einen Sohn und zwei Töchter. Nach 40 Jahren Berufsarbeit ging er in Rente, und engagiert sich seitdem ehrenamtlich für das Maximilian-Kolbe-Werk. Jan Bocian ist der Ansprechpartner des Werks für seine Kameradinnen und Kameraden, ebenfalls ehemalige KZ-Häftlinge, in der Region Bydgoszcz (Kujawien).
Jan Bocian spricht Polnisch.


Pavel Rubinchik, St. Petersburg / Russland
wurde am 27. März 1928 in Minsk in Weißrussland geboren. Er war 13 Jahre alt, als am 22. Juni 1941 die Sowjetunion von der deutschen Wehrmacht überfallen wurde. Bereits drei Tage später wurde Minsk bombardiert. Pavel floh mit seiner jüdischen Familie in Richtung Moskau. Doch bald wurden die Flüchtlinge von den Deutschen eingeholt. In den Wirren verlor Pavel seine Familie. Er kehrte nach Minsk zurück und kam in ein Kinderheim des zwischenzeitlich eingerichteten Minsker Ghettos.
Pavel meldete sich beim Judenrat des Ghettos, um Arbeit zu bekommen. Wie auch viele andere Jugendliche, wurde er zu schwerer Arbeit herangezogen, unter anderem zum Ausheben von Gruben für die Erschießung der Juden.
Im Juni 1943 gelang Pavel mit einer Gruppe von zehn Männern und Jugendlichen die Flucht aus dem Ghetto. Nur zwei aus der Gruppe überlebten den Krieg. Pavel konnte sich bis zur Roten Armee durchschlagen und wurde Beifahrer auf einem LKW. Zufällig traf er einen Verwandten, der für ihn den Antrag stellte, ihn als Minderjährigen von der Kriegsteilnahme als Soldat zu befreien. Im August 1944 wurde Pavel aus der Roten Armee entlassen. Er war erst 16 Jahre alt. Der größte Teil seiner Familie kam ums Leben.
Pavel Rubinchik lebt heute in St. Petersburg. Er ist Vorsitzender der Vereinigung jüdischer Überlebender der Konzentrationslager und Ghettos in St. Petersburg.
Pavel Rubinchik spricht Russisch.

(c) Jens Twiehaus
Dr. Boris Zabarko, Kiew/ Ukraine
wurde am 18. November 1935 in Kalinindorf, Region Cherson, in der Ukraine geboren. Seine Familie stammte aus Schargorod in der Region Winnytsya, wo Boris auch aufwuchs. Die Eltern arbeiteten in der Stadtverwaltung von Schargorod. Sein jüngerer Bruder kam im Juni 1941, weinige Tage vor dem Krieg, auf die Welt. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion wurde der Vater in die Rote Armee eingezogen und ist im Krieg gefallen.
Am 22. Juli 1941 wurde Schargorod von deutschen Truppen besetzt. Ab August 1941 wurde die Stadt Teil Transnistriens und stand bis zum 20. März 1944 unter rumänischer Verwaltung. Der Stadtteil, in dem der junge Boris mit seiner Mutter, seinem Bruder und den Großeltern wohnte, wurde in ein Ghetto umgewandelt.
Nach dem Krieg erwarb Boris Hochschulreife und studierte Geschichte an der Universität in Tschernowitz. 1966 zog er nach Kiew und promovierte 1971 am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaft der Ukraine, wo er bis 1988 arbeitete. Anschließend war er bis 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Akademie der Wissenschaften der Ukraine tätig. Von 1971 bis 1991 war Dr. Zabarko Mitglied der sowjetisch-deutschen (DDR) Historikerkommission. Seit 2004 ist er Präsident der Allukrainischen Assoziation jüdischer ehemaliger Häftlinge der Ghettos und nationalsozialistischer Konzentrationslager.
Boris Zabarko hat etwa 200 Bücher und Artikeln verfasst, die in der Ukraine, Israel und weiteren Ländern publiziert wurden. In Deutschland ist seine mehrbändige Reihe über die Shoah in der Ukraine sowie der von ihm herausgegebene Erinnerungsband „Nur wir haben überlebt“ erschienen.
Im Oktober 2009 wurde Boris Zabarko das Bundesverdienstkreuz am Band verliehen.
Der in Kiew lebende Zabarko hat eine Tochter und eine Enkelin.
Herr Dr. Zabarko spricht Russisch.

Teil 1, Oświęcim/ Auschwitz: 22.-28. Januar 2014
Ignacy Golik, Warschau / Polen
wurde am 19. Januar 1922 in Warschau geboren. Vor dem Krieg hatte er das Tadeusz-Czacki-Gymnasium in Warschau besucht. Nach dem Überfall deutscher Truppen auf Polen und der Besetzung Warschaus engagierte sich Ignacy Golik aktiv im polnischen Widerstand. 1941 wurde er zusammen mit seinem Bruder und dessen Frau von der Gestapo verhaftet und in das Pawiak-Gefängnis gebracht. Nach drei Wochen wurde Ignacy ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Dort arbeitete er in verschiedenen Arbeitskommandos. Er sprach Deutsch und so wurde er im Herbst 1942 dem Kommando SS-Revier, wo das SS-Personal medizinisch versorgt wurde, zur Arbeit zugeteilt. Zwei Jahre später, im November 1944, wurde Ignacy Golik zuerst ins Konzentrationslager Sachsenhausen und dann nach Barth, ein Nebenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück, verlegt. Mit anderen Häftlingen musste er Zwangsarbeit in den Werken des Flugzeugherstellers Heinkel leisten. Ignacy Golik überlebte den „Todesmarsch“ und wurde in der Nähe von Rostock von den sowjetischen Truppen befreit. Nach der Befreiung kehrte er in seine Heimatstadt Warschau zurück, studierte Journalistik und arbeitete bis 1998 als Journalist. 1964 wurde er nach Frankfurt eingeladen, um als Zeuge im Frankfurter Auschwitz-Prozess auszusagen.
Herr Golik spricht Polnisch und Deutsch.


Krystyna Budnicka, Warschau/ Polen
wurde am 8. Mai 1932 in Warschau als Hena Kuczer geboren. Sie hatte sieben Brüder und eine Schwester. Ihr Vater war Schreiner und besaß eine kleine Schreinerwerkstatt.
Als der Krieg ausbrach, war sie sieben Jahre alt. Das Haus in dem ihre Familie wohnte, befand sich in dem von den deutschen Besatzern errichteten Ghetto. Nach einiger Zeit wurde das Ghetto verkleinert, daher musste die Familie in ein anderes Haus umziehen. Oftmals mussten sie sich im Lüftungsschacht verstecken und den Atem anhalten, während die Deutschen ihre Wohnung ausplünderten. Im Juli 1942 wurden zwei Brüder von Krystyna zusammen mit ihren Familien in das Vernichtungslager Treblinka abtransportiert. Sie sah sie nie wieder. Seit 1943 versteckte sich die Familie Kuczer in dem unterirdischen Bunker eines Gebäudes in der Zamenhofstraße. Dort verbrachte sie den Aufstand im Warschauer Ghetto, an dem sich auch Krystynas Brüder beteiligten.
Ihre Angehörigen starben nach und nach aus Hunger und Erschöpfung oder wurden von den Deutschen ermordet. Nachdem ihr Bruder Rafał im Januar 1944 von der Gestapo ermordet wurde, war sie die einzige, die von ihrer großen Familie am Leben geblieben war. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands wurde sie von Nonnen gefunden und in ein Waisenhaus aufgenommen. Hier erlebte sie auch das Ende des Krieges, machte ihr Abitur und studierte später Pädagogik an der Katholischen Universität in Lublin.
Frau Budnicka spricht Polnisch.
Jacek Zieliniewicz, Bydgoszcz/ Polen
• geboren am 10. Mai 1926 in Janowiec Wielkopolski
• Dezember 1939: von den deutschen Besatzern nach Końskie in das
  Generalgouvernement zwangsumgesiedelt
• 20. August 1943: Inhaftierung und Deportation ins KZ Auschwitz-Birkenau
• 1944: Verlegung ins Konzentrationslager Dautmergen bei Rottweil   (Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof), Sklavenarbeit
• 18. April 1945: Todesmarsch
• 23. April 1945: Befreiung durch französische Truppenverbände
• Frühjahr 1945: Rückkehr nach Polen
• Nach 1945: Studium der Lebensmitteltechnologie in Poznań (Posen), arbeitet 50 Jahre lang als Ingenieur in der Fleischwirtschaft
• Verheiratet, lebt heute in Bydgoszcz, hat zwei Töchter, drei Enkel und drei Urenkel
• Vorsitzender des „Towarzystwo Opieki nad Oświęcimiem“ (Vereinigung zur Betreuung der ehemaligen Auschwitz-Häftlinge) in Bydgoszcz
• Jacek Zieliniewicz spricht Polnisch und Deutsch

Zdzisława Włodarczyk , Chrzanów/ Polen
• geboren am 21. August 1933 in Kamieniec (Großpolen)
• bis September 1939: Familie Włodarczyk lebt in Warschau
• September 1939: Flucht vor den Deutschen nach Kowel in Wolhynien (heutige Ukraine)
• Oktober 1939: Rückkehr nach Warschau
• Vater im polnischen Widerstand engagiert
• August 1944: nach dem Ausbruch des Warschauer Aufstands  inhaftiert
• 8. August 1944: Deportation ins KZ  Auschwitz-Birkenau, Trennung von den Eltern, Kinderbaracke von  Auschwitz-Birkenau
• 1945: Mutter auf den Todesmarsch getrieben, Zdzisława und ihr Bruder blieben in Auschwitz- Birkenau
• 27. Januar 1945: Befreiung, Rückkehr der Mutter, Vater im KZ Flossenbürg umgekommen
• Nach 1945: arbeitet seit ihrem 15. Lebensjahr, 1966: Heirat und Umsiedlung nach Chrzanów
• Seit Ende der 1980er Jahre engagiert sich ehrenamtlich für das Maximilian-Kolbe-Werk in Polen
• Frau Włodarczyk spricht Polnisch

Janina Dzemyanets, Baranowitschi/ Belarus
• geboren am 24. Mai 1940 in Baranowitschi
• Vater Feliks war Direktor einer Fleischfabrik, Mutter Aniela arbeitete als Krankenschwester
• Während des Kriegs half der Vater vielen Juden, indem er sie unter dem Vorwand einer Beschäftigung in der Fleischfabrik aus dem Ghetto holte. Die Arbeiter kehrten nicht ins Ghetto zurück, sondern schlossen sich den Partisanen an, zu denen Janinas Vater Kontakte hatte. Den Behörden gegenüber gab Feliks Dzemyanets  an, die Juden wären im Zuge eines Bombardements ums Leben gekommen.
• Im Februar 1944 wurde Janinas Vater infolge eines Verrats verhaftet und ins Konzentrationslager Koldytschewo gebracht.
• Gleich nach dem Vater kamen auch die vierjährige Janina, ihre Mutter und ihr kleiner Bruder Andrej nach Koldytschewo. Die Eltern wurden im KZ getötet, die beiden Kinder kamen in ein Waisenheim nach Baranowitschi, wo sie später von ihrer Tante abgeholt wurden.
• Nach dem Krieg studierte Janina Dzemyanets Pharmazie in Leningrad. Seit 1963 arbeitet sie als Apothekenleiterin in Baranowitschi.
• Seit 2009 - verwitwet, hat zwei Söhne, 5 Enkelkinder und einen Großenkel.
• Seit 1992 - Vorsitzende der Assoziation ehemaliger minderjähriger Häftlinge des Faschismus in Baranowitschi
• Seit 1993 kooperiert die Organisation mit dem Maximilian-Kolbe-Werk.
• Frau Dzemyanets sprich Russisch und Polnisch 



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